Urteil: Gemeinnützige Organisationen können Wortlaut der Mustersatzung anpassen

Gemeinnützige Organisationen, in der Regel Vereine, aber auch Gesellschaften z.B. gGmbH’s, sind verpflichtet, in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag eindeutig der Zweck der Gesellschaft anzugeben, um die (Steuer)-Vorteile der Gemeinnützigkeit zu nutzen (§ 59 AO). Hierzu wird oft der Wortlaut der Anlage zur Abgabenordnung wortwörtlich wiedergegeben (Anlage Abgabenordnung).

Das Hessische Finanzgericht hat mit Urteil entschieden (26.02.2020, 4 K 594/18), dass dabei der Wortlaut entgegen der Praxis vieler Finanzämter nicht wortwörtlich abzuschreiben ist, sondern Anpassungen möglich sind. Geklagte hatte eine gemeinnützige GmbH, denen die Anerkennung der Gemeinnützigkeit versagt wurde, weil nach Ansicht des Finanzamtes die Voraussetzungen der Steuerbefreiung auf Grund der konkreten Gesellschaftsvertragsregelungen nicht vorlagen. So ist es zum Beispiel zulässig, einschränkende Regelungen aufzunehmen, um nicht nur „Förderung des Sports“, sondern eine konkrete Sportart anzugeben. Auch die Nutzung anderer Wörter oder geringfügige Änderungen dürften zulässig sein, sofern sich aus der Satzung/Gesellschaftsvertrag eindeutig ergibt, dass der Zweck der Organisation nach §§ 52 – 55 Abgabenordnung erfüllt wird.

Aus dem Urteil:
„Entgegen der Ansicht des Beklagten folgt daraus nicht, dass die Satzung einen oder mehrere der in § 52 Abs. 2 AO enthaltenen Zwecke dem Wortlaut nach wiederholen muss (so mittelbar bereits Senatsurteil vom 10.11.2016 4 K 179/16, juris). Zwar sind in der Mustersatzung in der Klammer nach „Zweck der Körperschaft ist“ ausschließlich die in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannte Zwecke enthalten. Die Einführung der Mustersatzung war indes eine Reaktion darauf, dass der Bundesfinanzhof die „Unmittelbarkeit“ und „Ausschließlichkeit“ nicht als notwendigen Bestandteil des Wortlauts der Satzung angesehen hatte (vgl. dazu Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 29.06.2017 4 K 917/16, juris). Der Steuergesetzgeber wollte mithin die Leitungsorgane der Gesellschaft ausdrücklich gesellschaftsrechtlich auf die Einhaltung dieser Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit verpflichtet sehen. Würde der Steuergesetzgeber hingegen verlangen, dass als primärer Zweck ein in § 52 Abs. 2 AO genannter Zweck bezeichnet würde, wäre es den Leitungsorganen mitunter möglich, einen darunter fallenden (Teil-) Zweck zu verfolgen, den die Mitglieder bzw. Gesellschafter so nicht gewollt haben. Deshalb wird häufig eine Einengung der satzungsgemäßen Tätigkeit gewollt und bestimmt sein (z. B. bei Sportvereinen etwa die konkrete Sportart statt bloß Förderung des Sports). Da zudem ohnehin gemeinnützigkeitsrechtlich die Art und Weise der Zweckverwirklichung anzugeben ist, hält der erkennende Senat dafür, dass aus dem Klammerzusatz des § 1 der Mustersatzung nicht hervorgeht, dass bei der Angabe des Zwecks zwingend der Wortlaut des § 52 Abs. 2 AO zu wiederholen ist. Vielmehr hat § 60 Abs. 1 Satz 2 AO nichts daran geändert, dass nur die Art der begehrten Steuerbegünstigung (z. B. „gemeinnützig“) genannt sein muss und dass im Fall der Gemeinnützigkeit durch die Satzung verbindlich zum Ausdruck kommen muss, dass und wie die Allgemeinheit in Gestalt eines Zwecks, der mit § 52 Abs. 2 AO vereinbar ist, gefördert werden soll (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 29.06.2017 4 K 917/16, juris). Nach der somit weiterhin geltenden Rechtsprechung des BFH (vgl. diese mit umfangreichen Nachweisen zusammenfassend insbesondere BFH, Urteil vom 15. November 2017 – I R 39/15 –, BFH/NV 2018, 611) ist dafür erforderlich, dass die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sind, dass auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben sind (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Satzungszweck und die Art seiner Verwirklichung sind – jedenfalls, soweit ihnen kein jedermann bekanntes, begrifflich fest umrissenes gedankliches Konzept zugrunde liegt – so weit wie möglich zu konkretisieren. Es genügt ferner (weiterhin), dass diese Voraussetzungen auf Grund einer Auslegung der (gesamten) Satzungsbestimmungen als gegeben angesehen werden können. Unklarheiten, ob die Körperschaft nach ihrer Satzung ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgen, d.h. die Allgemeinheit fördern soll, gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Steuervergünstigung beruft.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; es ist eine Revision beim Bundesfinanzhof anhängig.